Gründe gibt es immer

Am Dienstag, den fünften Januar hatte er keine Lust mehr, stand einfach auf, packte seine Sachen, zog die Jacke an und ging los.
Ob sich Niemand um ihn kümmerte oder er es nicht bemerkte konnte er danach nicht mehr sicher sagen. Beides wäre schlüssig.

Bis zum Ausgang fühlte sich jeder Schritt an wie der letzte, danach jeder wie der Erste.
Der Weg zum Auto war klar, die Zweifel packten ihn hinter dem Lenkrad, die ängstlichen Zweifel seines verschwendeten Lebens, die Angst, die Sorgen, das kleinbürgerliche Sammelsurium an Ankerketten, der bis zum Instinkt gewordene eingeprügelte Konformismus.
Körperlich anstrengende Zweifel, schwitzen und zittern, frösteln, erst einige Minuten nach dem losfahren ging es wieder und er versuchte so wenig wie möglich aber so viel als nötig an vernünftigem Denken zuzulassen um nicht in kürzester Zeit den zu Tode gefürchteten Weg des Scheiterns gehen zu müssen.

Kein Geld, keine Papiere. Portemonnaie liegt zu Hause.
Zu Hause.

Sollte er es wirklich wagen wegen dieser Dinge dem Ereignishorizont des schwarzen Alltagsloches zu Nahe zu kommen?
Oder war er schon über diese Gesetze erhaben und frei genug tun zu können was er wollte.
Zehn Minuten, ewige zehn Minuten.
Am Ende war er sich Sicher nicht den Weg der Flucht einzuschlagen, Flucht ist Kapitulation, Eingeständnis. Handlung ist die einzige Freiheit. Aktion. Reaktion ist nur, der dummen Dressur nachgeben.

Die Auseinandersetzung dauerte weniger lange als er dachte, die Details völlig nebensächlich. Die Wucht seiner Entschlossenheit kraftvoll genug für zwei.
Ab jetzt war alles besser oder ab jetzt würde alles besser werden….

Opfer

„…alle Dinge, für welche wir Opfer gebracht haben, sind im Recht.
Letzteres erklärt zum Beispiel, weshalb ein Krieg, der wider Willen des Volkes begonnen wurde, mit Begeisterung fortgeführt wird, sobald erst Opfer gebracht sind.“
Friedrich Nietzsche
„Menschliches, Allzumenschliches“ „229-Maß der Dinge bei gebundenen Geistern.“

Und damit ist die derzeitige Situation auf den Punkt gebracht.
Der „gebundene Geist“ wird sich niemals eingestehen, dass die Opfer unnötig und überflüssig waren, das Begeisterte immer extremere Opfer bringen bis zum erlösenden Zusammenbruch bleibt der einzige gangbare Weg.

Punkte

Wendepunkte, Endpunkte, Startpunkte, wir brauchen diese Zeitpunkte um uns eine Möglichkeit zum Wechsel bzw. zur Änderung einreden zu können.
Der Kalender und das Leben sind dankenswerterweise vollgestopft damit. Die Euphorie dieser Momente hält uns meist bis zum Nächsten über Wasser.
Oft auch nicht, doch dann zieht uns die Hoffnung durch den Dreck bis zur nächsten Selbstillusion.
Suchtverhalten genau betrachtet, Abhängigkeit.
Darum verstehen sich die Meisten und darum ist das entgegengebrachte Unverständnis für die Ausgerissenen so vehement, sind sie doch eine permanente Erinnerung.

Friss oder Stirb

"Friss oder Stirb" - Frank Hummel
„Friss oder Stirb“ – Frank Hummel

(1) https://blog.aboutamazon.de/logistikzentren/fakten-%C3%BCber-die-amazon-logistikzentren

(2) https://blog.aboutamazon.de/logistikzentren/die-vorbereitungen-f%C3%BCr-weihnachten-laufen-amazon-stellt-10-000-zus%C3%A4tzliche-saisonkolleginnen-und-kollegen-ein

Aphorismus 8/52

„Aphorismus 8/52 oder Nietzsche vs. Schopenhauer“
Leinwand 160x160cm – Spray, Tusche, Lackstift, Marker, Transferdruck

Nietzsche ist mir neben Kafka der wichtigste geistige Ruhepol. Die Wucht und Kraft seiner Arbeiten sowie die nie zur Ruhe kommende grenzverschiebende Ausdehnung seiner denkerischen Freiheit geben mir den Mut weiter in geistiger Bewegung zu bleiben.
Außerdem war den Zeitzeugen nach, im Gegensatz zu seinen Texten, der persönliche Umgang ruhig, freundlich und respektvoll, eine nur scheinbare Ambivalenz, die ich sehr gut nachvollziehen kann…

Aphorismus 8/52 oder Nietzsche vs. Schopenhauer - Text ©Frank Hummel - Leinwand 160x160cm
Aphorismus 8/52 oder Nietzsche vs. Schopenhauer – Text ©Frank Hummel

Wochenendlichkeit

Heute Montag, nach drei Tagen Zusammensein mit Freunden.
Richtigen Freunden, vielleicht fürs Leben, vielleicht nur eine temporäre Überdeckung der Lebensumstände, was aber im Angesicht der wunderbaren Tiefe der Augenblicklichkeit völlig irrelevant ist.

Heute Montag bin ich alleine und fühle mich ungeschützt den Widrigkeiten des brutalen und kaputten gesellschaftlichen Lebens ausgesetzt, muss mich absondern, einhüllen in mich selbst um die Verletzlichkeit der wochenendlichen Offenbarungen nicht zur Ausgeliefertheit nach außen zu präsentieren.

Die Schakale riechen Verletzlichkeit und geifern nach Blut um die eigene hässliche Fratze innerlich mit mir auszugleichen.
Für ein weniger misanthropisches Bild fehlt mir im Moment das Vertrauen und ich bin froh über diesen Tag Auszeit bevor ich mich wieder durch die aus monetärem Zwang notwendige Selbstgeißelung quäle.