Wochenendlichkeit

Heute Montag, nach drei Tagen Zusammensein mit Freunden.
Richtigen Freunden, vielleicht fürs Leben, vielleicht nur eine temporäre Überdeckung der Lebensumstände, was aber im Angesicht der wunderbaren Tiefe der Augenblicklichkeit völlig irrelevant ist.

Heute Montag bin ich alleine und fühle mich ungeschützt den Widrigkeiten des brutalen und kaputten gesellschaftlichen Lebens ausgesetzt, muss mich absondern, einhüllen in mich selbst um die Verletzlichkeit der wochenendlichen Offenbarungen nicht zur Ausgeliefertheit nach außen zu präsentieren.

Die Schakale riechen Verletzlichkeit und geifern nach Blut um die eigene hässliche Fratze innerlich mit mir auszugleichen.
Für ein weniger misanthropisches Bild fehlt mir im Moment das Vertrauen und ich bin froh über diesen Tag Auszeit bevor ich mich wieder durch die aus monetärem Zwang notwendige Selbstgeißelung quäle.

Todsicher

Woher oder Warum diese panische Angst vor dem eigenen Tod oder dem eines geliebten bzw. nahestehenden Menschen, die so offensichtlich in dieser Corona Zeit überall zu Tage tritt.
Wir sterben.
Das ist eine unumstößliche Tatsache.
Nach der Geburt ist dies das nächste todsichere Ereignis.

Scheinbar ist es heute nicht OK. Morgen auch nicht. Übermorgen? Oder nächstes Jahr? Wann? Wann ist der Tod richtig, wann darf er kommen?

Es scheint mir, je weniger ein Mensch lebt, je weniger er aus sich heraus handelt, desto aggressiver die Angst vor dem Tod.
Handlungen werden aufgeschoben, morgen, irgendwann, es bleibt ja Zeit, das „Carpe Diem“ Wand Tattoo reine Dekoration.

Wer macht Euch glauben, dass das was ihr heute nicht könnt, Morgen können sollt?
Wie kommt ihr auf diese schwachsinnige Idee?

Jetzt oder lasst es, aber tut nicht so als wäre der Tod eine Überraschung…

Karmaschleife

Stell Dir vor Du kommst zur Welt und Deine reinkarnierte Seele ist einen kleinen Moment, die ersten Minuten noch bei vollem Bewusstsein, sieht wo sie sich befindet, den neuen Anfang einer Hölle auf Erden.
Das Schreien und Weinen ist die einzig adäquate Begrüßung die bleibt, außer wir haben es mit einer alten, unzählbar wiedergeborenen Seele zu tun, die den Schmerz zu schätzen weiß und still lächelnd die Herausforderung annimmt.

Hackordnung

„Hackordnung“ – Holz 119x84cm – Spray, Tusche, Lackstift, Marker

Neulich kam bei einer Veranstaltung ein Besucher auf mich zu nachdem er sich meine Bilder eine Weile anschaute und meinte:
„Weißt Du was ich an Deinen Sachen so mag? Du bist so unfreundlich und Kunst muss in die Fresse!“

Was soll ich dazu noch sagen, gibt’s halt mal wieder was in die Fresse.
Ist nicht Absicht, ist Perönlichkeitsimmanent.

Hackordnung
„Hackordnung“ – 119x84cm – Text ©Frank Hummel

Vergessen

Ich stehe in einer größeren Stadt an einer einigermaßen viel befahrenen Straße und warte, laufe meine Tiger-Schleifen, schaue hierhin und dorthin und habe als konditioniertes Landei das ständige Gefühl die sich Vorbeibewegenden fragen sich alle worauf oder warum ich hier warte.
Es kümmert tatsächlich kein Schwein, ist halt normal, ist ja auch Stadt.
Ich steh also dort an diesem völlig durchschnittlichen September Montag, kein Regen, nicht kalt, der Rest egal.

Mein hin und her Gestarre und Gelaufe wird jäh unterbrochen von hysterischem Frauen Geschrei. Was ich gerade noch sehe ist wie eine, vermutlich, Mutter mit ihrem ungefähr sechsjährigen Sohn an der großen Kreuzung neben mir mit dem Fahrrad über die Straße fährt bzw.nicht mehr fährt sondern am Ende des Überwegs steht und unverständliches schreit und kreischt weil das Kind, ebenfalls mit Fahrrad, mitten auf der Kreuzung plötzlich die Orientierung verlor und Kreise dreht und nicht mehr weiß wohin.
Kein Auto hupt oder fährt es ist ja auch offensichtlich, dass warten die beste Lösung ist.

Beide schaffen es jedenfalls wohlbehalten über die Straße und bleiben direkt an der Ampel auf dem Gehweg auf Ihren Fahrrädern sitzend stehen.
Sie reden und ich höre nicht was sie reden, das heißt, kein Geschrei mehr, im Gegenteil, ich gehe wieder im Kreis und es scheint alles Gut.

Nach ein paar Minuten steigt die Mutter von ihrem Rad, nicht hektisch oder gestresst, sondern ganz ruhig, geht zu ihrem Sohn, hebt den Jungen von seinem Fahrrad, sichert es mit dem Ständer und stellt ihn auf den Boden.
Nimmt dann ihren Helm und den Helm des Jungen ab, alles ganz ruhig und entspannt.
Mit dem was dann folgte rechnete ich allerdings überhaupt nicht.
Die Frau kniete sich auf den Boden, nahm ihren Sohn in die Arme und genau in diesem Moment fängt der bis jetzt unhörbare Kleine an herzzerreißend zu weinen.
Die Mutter hält ihn einfach mitten auf dem Gehweg, alles andere egal.
Sie ist auf die natürlichste Art einfach Mama und kniet und hält ihren Sohn dem der ganze Schrecken hemmungslos aus den Augen und dem Mund quillt.

Wie lange die beiden so auf dem Gehweg standen bzw. knieten weiß ich nicht mehr. Der mütterliche Instinkt hat kein Zeitgefühl und es waren auf jeden Fall mehr als fünf Minuten, unstörbar.
Dass es mir beim Anblick der umarmenden und in dem Moment einfach bedingungslos liebenden Mutter fast gleich wie dem Jungen ging und ich laut hätte losheulen können tut ja eigentlich nichts zur Sache, erwähne ich aber trotzdem, weil dies der Grund ist warum ich diese Geschichte überhaupt aufschreibe.

Ihr Ende fand die Umarmung als eine ältere Dame mit einem Maulkorb tragenden Pudel an den beiden vorbei ging.
Dieser Anblick schien dem Jungen jetzt plötzlich wichtiger und er sprach die Dame an, lachte wieder und alles war vergessen.
Er konnte das Gewesene einfach vergessen, weil es die Aufmerksamkeit erfuhr, die für das Vergessen notwendig war.